03.12.2019

Thema aus den aktuellen Mitteilungen: Umgang mit Krisen

Ich steh zu dir! Das war die spontane Antwort von Petrus, als Jesus seine Jünger mit der heraufziehenden Leidens-krise und ihrem baldigen Davonlaufen konfrontierte. Und zu dem Wort stand er. Nur wenige andere Jünger standen so lange zu Jesus wie er. Doch dann kam die Situation, dort am Lagerfeuer. Er scheiterte krachend und das riss ihn noch tiefer in die Krise. Diese Ehrlichkeit der Bibel hilft mir in meinen Krisen diese nicht zu verdrängen, sondern ehrlich wahrzunehmen. Ich bin in diesem Sinne sogar dankbar für Petrus‘ Scheitern und seine Krise, in die es ihn stürzte.

Krise – was ist das?
Was ist überhaupt eine Krise? Es gibt Finanzkrisen, Lebenskrisen, Beziehungskrisen, Glaubenskrisen und noch viele mehr. Eines haben sie mehr oder minder gemeinsam: Krisen bringen uns an die Grenzen unserer Möglichkeiten, überfordern uns. Das, was wir bisher in unserem Leben an Tools und Bewältigungsstrategien dazugelernt haben, reicht dann einfach nicht mehr aus, um diese Krise zu bewältigen. Interessant ist der ursprüngliche Wortsinn von Krise. Das Wort kann aus dem griechischen mit Wendepunkt oder Entscheidung übersetzt werden. Eine Krise ist ein Prozess, zu dem die Hilflosigkeit und Unsicherheit dazugehört und deren Ausgang offen ist. Aber eine Krise muss eben nicht zwangsläufig schlecht enden. Häufig sind es ambivalente Empfindungen: Zum einen bringt die Krise ein stückweit Verlust, zum andern gehen Menschen in vielen Fällen aus Krisen gestärkt heraus. Was nicht bedeutet, dass die Krisen immer Sinn machen oder dies den erlittenen Verlust aufwiegt.

Ich steh zu dir, mein Gott – was kann ich tun?
Petrus in der Verleugnungsgeschichte krallte sich an seinem Glauben an Jesus. Hielt sich fest an seinem Versprechen, das er Jesus gegeben hatte. Er mobilisierte alle Möglichkeiten, die er hatte, um bei Jesus zu bleiben und das Leiden abzuwenden. Er hatte nicht nur einen Schönwetter-Glaube, der bei den ersten Wolken sich in Luft auflöst. Wir dürfen mit festem Willen an den bisherigen Strategien der Lebensbewältigung festhalten. Doch es hilft zu wissen, dass unsere Möglichkeiten auch an Grenzen kommen dürfen, ja, sogar kommen sollen. Begrenztheit ist in uns angelegt und von Gott gewollt. Sie führt uns hinein in die Abhängigkeit zu Gott. Aber was kann ich in meiner Krise jetzt tun?

Sei ehrlich. Lass dich nicht von scheinbar frommen Erwartungen und Sätzen unter Druck setzen: „Du musst halt nur RECHT glauben!“ oder „Als Christ darf ich nicht von Gott enttäuscht sein! Ich muss jetzt einfach glauben!“ Glaube darf in die Krise kommen. Jesus selber lässt dort im Garten Gethsemane tief in sein Herz blicken, wenn er sagt „Herr, lass diesen Kelch vorüber gehen!“ Er zog nicht als unbewegter Fels durch die Passion, sondern mit Zittern und Zagen kämpfte er sich durch die aufkommende Angst und Panik durch zu dem Gebet: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!“

Einfach sein. In unserem Glauben ist Raum für Zweifel, denn unser Glaube hängt nicht an unserer Leistung. Wir dürfen in der Krise sein. Das, was wir fühlen und denken, darf sein, auch vor Gott. Das können wir von Hiob lernen, der wie kaum ein anderer in der Bibel Gott angeklagt hat. Was haben wir für einen liebenden Vater, der das aushält. Hiob zeigt uns darin, zusammen mit den Schreibern der Klage-Psalmen, die erste und wichtige Handlung in der Krise. Klagen! Sich im Leid, im Dunkeln in aller Emotion und Wut an Gott zu wenden, nicht in ehrfurchtsvollen, wohlgeformten Sätzen. Nein, im Stammeln, Heulen und Unverständnis darf ich vor Gott kommen und dort bei ihm sein. Er hält mich aus, weil es nicht meine fromme Leistung ist, die mich bei ihm hält, sondern seine unendliche Barmherzigkeit. Ihm begegne ich in der Klage und das ist die Richtung, in die uns die Klage führt. Hin zu unserem guten Vater, dem im Leid nicht die Werkzeuge ausgehen und der es zutiefst gut mit uns meint, auch wenn wir das in manchen Momenten unseres Lebens nicht verstehen können.

Hilfe suchen. Spätestens dann, wenn ich merke, dass ich nicht mehr kann, ist es unglaublich hilfreich und erleichternd, wenn wir den Schritt aus der Einsamkeit herauswagen und uns Hilfe suchen. Jesus hat uns neben der Klage die Gemeinschaft der Christen gegeben. Andere Menschen, die am Leid und Not der anderen Anteilnehmen. Die für einen glauben, wenn der eigene Glaube zerbrochen am Boden liegt. Für uns in der Krise heißt es, den zaghaften Schritt auf andere zuzugehen. Je nach Krise kann dies auch heißen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ich steh zu dir, mein Freund – anderen in der Krise helfen
Was ist für uns als Begleiter von Menschen in Krisen wichtig?

Beziehung. Immer wieder merke ich in der Begleitung von Menschen in Krisen, dass vor allem ein Bedürfnis in in mir sehr groß wird: Ich will eine Lösung – Schritt eins, zwei und drei und dann ist er wieder raus aus der Krise. Doch selten ist die Lösung so leicht und ist es das, was Menschen in den Situationen wirklich brauchen. Viel wichtiger ist für Menschen in Krisen, dass sie jemanden haben, der da ist und sie begleitet. Jemand, der sie aushält und vor dem sie ehrlich sein dürfen. Wir können die Lösung nicht vorgeben noch wissen. Aber die Krise treibt Menschen in die Einsamkeit und das macht das Ganze umso schlimmer. In der Krise braucht es gute Beziehungen, die nicht fordern, sondern die einfach da sind. Die vielleicht an der ein oder anderen Stelle helfen, den Blick über die Wellen zu bekommen und wieder neu Hoffnung bei Jesus zu fassen. Menschen, die für einen beten, wenn die eigenen Worte gerade nicht mehr möglich sind.

Raum geben. Als Begleiter kann ich Menschen in Krisen den Raum eröffnen, das, was in ihnen ist auch auszusprechen. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit einem jungen Mann, dem das Leben übel mitgespielt hatte. Krank und gebrochen saß er da, wollte glauben, aber es fiel ihm schwer, für sich zu beten. So oft hatte er es getan und scheinbar keine Antwort bekommen. Ich fragte ihn: „Bist du sauer auf Gott?“ Er schaute mich mit großen Augen an und sagte: „Aber das geht doch nicht, ich darf doch auf Gott nicht sauer sein!“ Ich erklärte ihm, dass ich an seiner Stelle sauer und wütend auf Gott wäre. Das war eine unglaubliche Erleichterung für ihn. Es half ihm, im weiteren Gespräch langsam den Weg über die Klage wieder zurück zu Gott zu finden.

Ich steh zu dir, mein Kind – Gottes Versprechen
Er steht nicht als unverständig, kopfschüttelnder Vater da. Sondern in Jesus Christus hat er die größte Krise als Mensch selbst durchlitten. Unser Gott weiß, was es heißt, alleine und hilflos zu sein. Er möchte uns in unserem Leid als der begegnen, der versteht und der hilft. Auch wenn das manchmal anders ist als wir uns das vorstellen können. Er steht zu uns und er ist es, der uns trotz aller Dunkelheit in Händen hält und birgt.